Wer seid Ihr und was macht Ihr?
Robert Köbrunner: Wir sind DIZZBO. 2018 haben wir dieses Startup gegründet mit dem Ziel, die Logistik zu revolutionieren, nämlich mit einer Online-Plattform, die automatisch und in Echtzeit Angebot und Nachfrage matcht.
Peter Baumgartlinger: An den Start gegangen sind wir im April 2019. Seitdem sind wir stark gewachsen, was Umsatz und Aufträge angeht, haben es aber dabei durch den Automatisierungsgrad geschafft, weiterhin so schlank und effizient zu bleiben, wie wir es geplant hatten. Immerhin sind wir aber mittlerweile 19 Mitarbeiter.
Hinter jedem Erfolg steckt eine Mission. Wie kam es zu der Idee?
Robert: In der Logistik-Branche muss man mit sehr geringen Margen auskommen. Man spricht hier von Größenordnungen wie drei bis fünf Prozent EBIT-Marge. Auf der anderen Seite sind etwa 25 bis 30 Prozent der LKW-Kapazitäten auf den Straßen leer unterwegs. Für uns war klar, dass man das ändern muss, und das war dann auch die Ursprungsidee von DIZZBO: bestehende Ressourcen und Kapazitäten besser nutzen. Und dabei CO2 einsparen.
Wie seid Ihr beide zusammengekommen?
Peter: Wir sind schon seit vielen Jahren gemeinsam in verschiedenen Logistik-Firmen tätig gewesen. Irgendwann kam uns die Idee für DIZZBO. Damit sind wir dann zu den Eigentümern unseres damaligen Arbeitgebers gegangen, zu Christian Fürstaller und Rodolphe Schoettel. Ihre Reaktion: Cool, machen wir! Allerdings haben wir eines gleich klarstellen müssen: wir wollen die Firma machen, wir als Gründer. Wir suchen einen Investor, wollt ihr dabei sein? Das war eine ziemliche Überraschung für sie.
Wie kann man die 30% Leerkapazitäten in der Road-Logistik nutzen und massiv Geld und CO2 sparen?
Ihr wart aber nicht nur als Manager im Logistikbereich unterwegs. Robert ist früher ja auch selber LKW gefahren.
Robert: Ja, genau! Ich komme aus einem Transportunternehmen, das meine Großeltern vor mehr als 80 Jahren gegründet haben. Ich bin also in dieser Branche aufgewachsen. Und weil man sich in Studienzeiten auch ein bisschen Geld dazuverdienen muss, bin ich damals viel LKW gefahren, auch weil ich sehen wollte, wie sich das Leben eines LKW-Fahrers anfühlt, welche Herausforderungen, der jeden Tag meistern muss. In der Logistik gibt es immer Probleme. Und die LKW-Fahrer machen einen hervorragenden Job, das sieht man oft nicht.
Gab es ein besonders verrücktes Erlebnis als Trucker?
Peter: Meine Lieblingsgeschichte ist die Bewerbung für Deinen ersten Praktikumsjob.
Robert: Ja, das war lustig. Ich hatte einen Termin für ein Bewerbungsgespräch als Trainee im Bereich Management in Hamburg bei Kühne und Nagel. Statt als klassischer Bewerber mit Aktentasche zu erscheinen, habe ich mir einen LKW mit Ladung organisiert, bin von Österreich nach Hamburg hochgefahren, und habe mich bei Kühne und Nagel samt LKW und Ladung präsentiert. Als ich auch noch auf die Reisekostenabrechnung verzichtet und darauf hingewiesen habe, dass ich die Ladung bald abgeben und eine neue Ladung laden muss, hat sich Vorstand nur sehr kurz beraten und dann gesagt: „Passt! Sie fangen bei uns an.“
Unser Ziel ist es, eine Ladung vollautomatisiert auf einen gematchten Truck mit Leerkapazität zu buchen. Ohne manuelle Disposition.
Lasst uns über Alleinstellungsmerkmale sprechen. Ihr seid nicht das erste Logistik-Startup am Markt. Wie unterscheidet Ihr Euch von Cargonexx, Sennder und den Instafreights dieser Welt?
Peter: Unser Ansatz ist, dass wir nicht nur den Ordervorgang über die Website digitalisieren sowie einzelne zusätzliche Logistikservices, sondern sämtliche relevanten Prozesse innerhalb der Logistik. Eine Besonderheit ist unser Matching-Algorithmus, mit dem wir den kompletten Prozess bis hin zum Fahrer und auch bis hin zu einem bereits fahrenden LKW automatisieren können. Das erlaubt DIZZBO auch Teilladungen erfolgreich vermarkten zu können. Das ist der riesige Unterschied.
Derzeit ist DIZZBO nur Marktbeobachtern bekannt. Ihr fliegt im Vergleich zu anderen Logistik-Startups ziemlich unter dem Radar. Was ist der Grund dafür?
Robert: Diesen Weg sind wir bewusst gegangen. Wir haben neben dem Matching-Algorithmus und neben einem vollumfänglichen Transportmanagementsystem eine sehr breite und robuste Feature-Basis entwickelt. Wir haben sehr gute Umsätze. Jetzt können wir aus einer sehr sicheren Substanz heraus eine schnelle Skalierung vornehmen.
Gemeine Frage: Wie passen 1.000 herumfahrende LKWs mit Nachhaltigkeit zusammen?
Robert: Indem man von den 1.000 am Ende des Tages 300 nicht mehr braucht, also 30 Prozent der Leerkapazitäten einspart.
Wie messt Ihr Euren Erfolg im Moment? Was sind eure KPIs?
Peter: Die wichtigste Kennzahl ist natürlich der Umsatz und dass wir wachsen. Uns ist aber auch wichtig, dass wir Gross-Profit kein Geld versenken. Tatsächlich haben wir unsere Gross-Profit-Marge in den letzten Monaten verdoppeln können.
Aggressive Langfristziele schaffst Du, indem Du Dir aggressive Etappenziele setzt. Und alles tust, um sie zu erreichen.
Wie stark wachst ihr?
Robert: Wir haben von Januar bis November den Umsatz mehr als versiebenfacht und wollen in diesem Tempo auch weiterwachsen.
Großartig! Und das ist ja schon das zweite Jahr. Gestartet seid Ihr im März 2019.
Robert: Genau. In den ersten drei Monaten hatten wir eine Beta-Testphase. Mit Jahresende 2020 sind wir 18 Monate im operativen Geschäft.
Peter: Im Januar 2020 hatten wir knappe 150.000 Euro Umsatz im Monat und gehen jetzt auf einen siebenstelligen Monatsumsatz zu.
Wie schafft ihr dieses extreme Wachstum? Wie kann man in 10 Monaten seinen Umsatz um 600% steigern?
Robert: Wir haben uns immer extrem aggressive Etappenziele gesetzt – kaum erreichbare Ziele – und haben alles getan, um diese doch zu erreichen. Erst willst Du 50.000 Umsatz pro Monat, dann 100.000, dann 250.000. Dann eine halbe Million Monatsumsatz. Jetzt sind wir bei einer Million pro Monat, im nächsten Jahr peilen wir die 35 Millionen Jahresumsatz an und 2022 wollen wir hundert Millionen schaffen. Diese Etappenziele machen mir richtig Spaß und damit erreichst Du auch ambitionierte Langfristziele.
Peter: Außerdem haben wir eine genaue Mittelfristplanung, wie wir die Skalierung aufziehen. Wir wissen auf Sicht eines Jahres ziemlich exakt, wann und in welcher Mannstärke wir Teams in Sales, IT, Administration, Support einstellen werden und wo wir sie einsetzen.
Wie habt Ihr es geschafft, die Plattform so schnell hinzustellen?
Robert: Wir haben die Plattform vom Start der Entwicklung in etwas länger als sechs Monaten live bekommen. Für uns war es neu, mit Scrum zu arbeiten. Mittlerweile bin ich ein absoluter Fan. Die interessanten Probleme kommen sowieso immer erst im Live-Betrieb. Insofern war es der absolut richtige Weg, das Projekt gemeinsam mit unseren Entwicklungspartnern RAIN und BIG PICTURE extrem agil und MVP-getrieben zu aufzustellen.
Du musst in der Softwareentwicklung agil bleiben. Aber am Anfang genauso beim Business Model. Du musst es extrem schnell drehen, wenn es nicht funktioniert.
Musstet Ihr Euer Geschäftsmodell mal drehen?
Peter: Ja! Du musst auch beim Geschäftsmodell agil bleiben. Wir haben lernen müssen, dass die Grundidee zwar richtig war und ist, aber der ursprüngliche Weg dorthin, den wir eingeschlagen haben, nicht funktioniert. Technisch hat es geklappt, aber wir hatten die Marktkomponente unterschätzt. Zuerst wollten wir die Ladefläche sichern für die Zuladungen und uns dann die Kunden dafür suchen. Es hat sich gezeigt, dass das schwierig ist. Wir mussten das Modell genau einmal umdrehen: Jetzt konzentrieren wir uns auf die Ladung und der Laderaum folgt dann einfach. Das haben wir lernen müssen. Man steht immer wieder vor Hindernissen als Startup. Die muss man überwinden und da gibt es verschiedene Wege. Entweder man nimmt sich eine Leiter, sprich – man holt sich viel Geld. Oder man überwindet diese mit Ideen und Durchsetzungsvermögen. Wir haben einen Zwischenweg gewählt, bisschen Leiter, bisschen Kopf, und damit an unser Ziel gekommen. Da bin ich sehr stolz drauf.
Haben die Speditionen Angst davor, etablierte Prozesse aufzubrechen?
Robert: Viele Kunden sind schon offen für neue Lösungen. Hier hilft Corona sogar ein bisschen mit. Weil man diesen Spargedanken auch in der Logistik verfolgen muss und nach neuen Lösungen sucht. Das kommt uns zugute. Im Bereich der traditionellen Spediteure ist es allerdings manchmal schwer. Die sehen momentan noch nicht die Rolle, die sie in Zukunft einnehmen könnten.
Was fehlt Euch in der aktuellen Situation am meisten?
Robert: Wir haben gerade einen massiven Engpass im Bereich der Developer. Wir haben gute, fertige Ideen in der Schublade, können sie aber nur sequentiell abarbeiten. Zuerst gründet und programmiert man eine Plattform, die läuft dann auch ganz gut, aber dann kommen viele weitere Geschäftsfelder, die man auch noch berücksichtigen muss. Daran arbeiten wir gerade. Damit die Kunden ein wirklich tolles Einkaufserlebnis haben und gute Konditionen auf einer perfekten Plattform.
Peter: Außerdem sind wir ab nächstem Jahr wieder auf der Suche nach Investoren.
Wo steht Ihr in zwei Jahren?
Peter: In zwei Jahren stehen wir bei 100 Millionen Jahresumsatz, das ist unser Plan. Wir leisten operativ gute Qualität und haben Spaß an unserem täglichen Tun.
Robert: Uns ist wichtig, dass wir uns auch als Technologieunternehmen im Markt etablieren. Wir wollen keine digitale Spedition sein, sondern ein Technologieunternehmen, welches eine Plattform-Lösung anbietet. Wir wollen also ein ganz neues Geschäftsmodell denken.
Wir können auch riesige Drohnen nach Spitzbergen transportieren.
Was war der verrückteste Transport, den Ihr abgewickelt habt?
Peter: Einer unserer Kunden hatte einen Transport nach Spitzbergen, eine große Drohne für wissenschaftliche Zwecke im Wert von 1,5 Millionen. Das war ein Spezialtransport auf sieben Lademeter, auch per Schiff und mit einem Motorschlitten bis zum Endpunkt. Den Transport mussten wir sogar nochmal verschieben, weil es Eisschollen gab und das Schiff nicht durchkam. Ansonsten… Natürlich war für mich auch eine der ersten Sendungen am schönsten. Der Kunde war ein deutscher Mittelständler. Da saß ich gerade am Tisch und hab mit der Ansprechpartnerin dort gesprochen, hab alles gezeigt und erklärt. Dann geh ich zum Auto, steig ein und fahr weg. Da ruft mich Robert an und sagt: Du, jetzt hat die gebucht. Und da wusste ich: Hey, es funktioniert.
Stellt Euch vor, Ihr könnt ein Lunch mit einer beliebigen Person gewinnen: Mit wem würdet Ihr Essen gehen?
Peter: Wenn der Lockdown rum ist, würde ich wahnsinnig gerne mal wieder mit meiner Frau Essen gehen.
Das Gespräch führten Hoa Le und Maximilian Vogel, Redaktion Kirsten Küppers.
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Disclosure: BIG PICTURE ist ein Investor der DIZZBO GmbH und hat mit seiner Venture Building Unit RAIN die DIZZBO-Plattform technisch entwickelt und betreut die Weiterentwicklung.