Wie großartig wäre es, die Erfolgschancen eines Business Models schon in einer sehr frühen Phase zu kennen! Lange bevor man wahnsinnig viel Geld in Teamaufbau, Entwicklung und Marketing verbrennt.
Aber geht das?
Nein. Und ja.
Man kann vorher nie sicher sagen, ob ein Startup erfolgreich sein wird. Weil das von einer Vielzahl an Parametern abhängt wie Team, Wettbewerb, Finanzierungssituation und oft auch einfach von Zufällen: Die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt zu treffen, kann manchmal allein schon der entscheidende Erfolgsfaktor sein.
Umgekehrt kann man bei vielen Startups und Business-Ideen bereits früh erkennen, dass sie nicht erfolgreich sein werden. Ein Großteil der Gründer setzt auf ein totes Pferd, baut eine Value Proposition, eine User Journey, einen MVP und merkt erst, wenn die Lösung live ist, dass ein totes Pferd nicht läuft.
Aber warum ist das so? Die machen doch alle Marktforschung vorher?
Ja. Und nein.
Es gibt Dinge, die richtig teuer sind.
Es gibt Dinge, die richtig teuer sind, wenn man sie nicht macht.
Und es gibt Dinge, die richtig teuer sind, wenn man sie nicht richtig macht.
Die Markt Validierung eines Business Models ist stolzes Mitglied der dritten Gruppe.
Fast jedes Gründerteam geht raus, spricht über die Idee, holt Optimierungsvorschläge ein und erfragt manchmal sogar quantitative Werte. Und fast jedes Team kommt mit leuchtenden Augen zurück: „Wir haben sehr positives Feedback bekommen.“ Dass leider trotzdem der größte Teil der Startups scheitern, hat viele Gründe. Einer der wichtigsten ist, dass die Marktvalidierung des Business Models falsch aufgezogen wurde. Einen leisen Hinweis darauf, geben schon die Resultate der Marktforschungsbemühungen. Ich kenne viele Gründer, die ihr Vorhaben aufgegeben haben, weil das Team auseinandergebrochen ist oder nie zusammengefunden hat. Weil die Entwicklung nicht geklappt hat, weil keine Finanzierung gefunden wurde.
Ich erinnere mich aber an kein Gespräch, in dem ein Gründer sagte: Wir hatten ein cooles Team, ein bisschen Geld, aber in der Marktvalidierung unseres Vorhabens haben wir ein so klares, niederschmetternd negatives Feedback bekommen, dass wir aufgeben haben. Wenn also bei einer Validierung fast nie rauskommt, dass eine Idee am Markt nicht funktioniert, dann ist das keine Validierung.
Aber was ist eine Marktvalidierung überhaupt? Ein schneller und günstiger Test meiner Hypothesen für Produkt und Business Modell am Markt.
Und was machen die Gründer dann falsch? Hier sind die aus meiner Sicht fünf teuersten Fehler, die bei einer Validierung eines Business Models gemacht werden.
1. Co-Ideation statt Testing
Gerade in der Frühphase sprechen viele Gründer mit allen möglichen Leuten über ihre Idee und nehmen wertvolle Anregungen mit. Das ist eine Form von Ideation. Dieser Prozess ist absolut richtig. Noch wichtiger ist aber, sich klar zu machen, dass diese Gespräche keine Aussagekraft in Bezug auf einen zukünftigen Markterfolg haben. Natürlich finden die meisten aufgeschlossenen Ansprechpartner eine Idee, zu der sie selbst beitragen, gut. Um etwas wirklich zu testen, benötige ich dagegen eine klare Definition des Produktes, die nicht vom Befragten beeinflusst werden kann. Und ich muss mit meiner Zielgruppe sprechen. Und nicht mit Leuten, die mich mögen.
2. Sprechen statt klicken, weiche statt harte Tests
Viele Gründer sind tief überzeugt von ihrer Idee. Sie haben ihr Startup gegen erhebliche Widerstände in ihrem Umfeld durchgeboxt. Sie wollen ihr Baby im Test schützen. Manchmal brauchen sie für eine Präsentation vor Investoren oder Stakeholdern auch einfach schöne Ergebnisse. Weiche Tests, bei denen gefragt, gesprochen und interpretiert werden kann, in denen „gemeint“ oder „gefunden“ wird, sind dazu hervorragend geeignet. Harte Tests dagegen, bei denen herauskommen kann, dass kaum User auf ein Ad klicken, dass die Besucher einer Website kein Produkt kaufen wollen oder dass das Crowdfunding nur 2.100 EUR erbracht hat, sind gemein. Aber ergeben Aussagen mit einer deutlich höheren Konfidenz. Die Ergebnisse dieser Tests lassen sich später in produktiven Settings gut reproduzieren. Viel zu selten in frühen Phasen angewendet wird auch ein Blindtest des Produktes oder Services zusammen mit zwei etablierten Lösungen derselben Kategorie. Schlägt mein Produkt bei einer Zielgruppe die anderen? Wenn ja, warum? In welchen Kategorien? Wenn nein, warum nicht?
3. Die Fragestellungen im Test können zentrale Hypothesen für das Startup nicht validieren
Kontraintuitiv, aber leider wahr: Die Antwort auf die Frage „Wie findest Du das?“ validiert keine Hypothese eines Startups. Ich brauche niemanden, der eine Idee, ein Produkt, ein Design oder einen Prototypen gut findet. Sondern Menschen, die etwas kaufen oder nutzen. Bevor ich einen Test mache, muss ich die zentralen Hypothesen formulieren, die ich testen möchte. Z.B. „Zielgruppe X hat Problem Y“, „Mein Produkt löst es“, „Meine Käufer sind bereit n EUR pro Monat dafür zu bezahlen“ oder „m% würden Produkt k online kaufen“.
4. Fokus auf das eigene Produkt, nicht auf die Probleme des Kunden
In vielen Tests in der Frühphase von Startups wird das Produkt präsentiert. Ein Prototyp wird gezeigt, es wird ein taskbasierter Test durchgeführt, gegebenenfalls unterschiedliche User-Journeys verprobt. Ein vollständig produktfokussierter Test kann durchaus Sinn machen. Bei Produktkategorien, bei denen die Nachfragedimension klar ist und die Konsumenten vorwiegend geschmacksbasiert entscheiden. Kleidung. Bier. Seife. Games. Die meisten Produkte von Startups fallen allerdings nicht in diese Kategorien. Sie sind Plattformen für X, Apps für Y, Tools für Z. Sie geben vor, ein Problem zu lösen beziehungsweise einen klar definierten Nutzen zu bringen.
Die zentrale Aufgabe eines Tests sollte sein, das Mindset eines Users zu verstehen, der ein digitales oder physisches Produkt nachfragt: Was genau ist sein Wunsch, sein Ziel, seine Aufgabe? Wie nutzt er Produkte meiner Kategorie? Warum ist etwas ein Problem? Wie häufig tritt es auf? Wie gravierend ist es? Warum gibt es dafür noch keine Lösung? Welchen Nutzen generiert mein Produkt genau? Viele innovative neue Services oder Produkte sind schöne Lösungen für ein Problem, das niemand hat, das nicht wichtig ist oder das eigentlich jemand anderes lösen muss als die Zielgruppe. Leider wird das nicht in den Marktforschungsaktivitäten von Gründern transparent. Weil sie nicht danach fragen.
5. Klassische Marktforschungssetups statt Market Validation.
Bei größeren Tests orientieren sich viele Gründer an klassischen Methoden der quantitativen Marktforschung, sie achten z.B. auf die Repräsentativität der Ergebnisse.
Das ist richtig, wenn ich ein Haarpflegemittel über Massenmedien bekannt mache und danach in die Regale von Discountern packe. Diese Form von Vertrieb ist aber typischerweise nicht das Business Model bei Startups.
Die Frage für Startups in der Frühphase ist doch vielmehr, ob ich eine einigermaßen große Gruppe an Early Adopters finde, die mein Produkt (zu einem bestimmten Preis) nutzen möchte. Mein Ergebnis muss nicht repräsentativ, sondern reproduzierbar und skalierbar sein: Was ist eine gute Methode, mit der ich eine Gruppe erreiche, die mein Produkt mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu einem bestimmten Preis abnimmt? Wenn ich in einem Test herausfinde, dass ich mit einem bestimmten Kampagnensetting zielgenau liebeshungrige Wikinger erreiche, die mir mein Haarpflegeprodukt für 80 EUR das Tübchen aus den Händen reißen, weil es für einen unwiderstehlichen Bronzeschimmer in ihren Bärten sorgt, reicht das – solange die Ergebnisse reproduzierbar und in einem bestimmten Rahmen skalierbar sind. 50 Wikinger reichen natürlich nicht, aber für einen Start vielleicht 5.000.
Und jetzt? Wie komme ich denn zu einer besseren Market Validation?
Viele Gründer entscheiden sich für Testsetups, die ihre Hypothesen stützen, aber eine geringe Konfidenz haben: Das heißt, die Testergebnisse sind schwer auf die Realität übertragbar (Chart 2, roter Kreis). Sie wollen einen Haken unter ihre Idee.
Besser ist es, den harten Weg zu gehen und Testverfahren zu wählen, die die Hypothesen wirklich herausfordern. Dafür aber sehr gut reproduzierbar sind. Diese Methode erlaubt es, das Business Model zu verbessern. Wieder zu testen. Und wieder zu verbessern. Bis man großartig ist.
Wie man einen einzelnen Test für eine Market Validation aufsetzen kann, werde ich in einem Folgebeitrag untersuchen.